Freiwilligeneinsatz in der Frühförderungsschule der Fundacion Remanso de Amor in Cartagena, Kolumbien vom 4. bis 8. Februar 2019
Vorbereitung
Vor meiner mehrmonatigen Südamerika-Reise suchte ich nach einer Möglichkeit für einen Freiwilligeneinsatz bei einer wohltätigen Organisation. Bei meiner Recherche im Internet bin ich auf den Verein Roter Tropfen gestossen.
Bei einem persönlichen Treffen hat mich Nora (Ressortverantwortliche Freiwilligeneinsätze) sehr konkret über die Situation an der Schule, den ungefähren Tagesablauf und über Kolumbien selber mit den Herausforderungen im Alltag und im Umgang mit den Menschen aufgeklärt. Zudem haben wir uns über das Projekt unterhalten, welches ich mit den Kindern während meines Einsatzes durchführen wollte.
Ein erster schriftlicher Kontakt mit dem zuständigen Sozialarbeiter bei Remanso de Amor, Victor Madero, hat es erlaubt, die Erwartungen gegenseitig abzustimmen.
Anreise und Einsatz
Während der zwei Wochen, in welchen ich meine Spanischkenntnisse an einer Schule in Cartagena vertieft habe, besuchte ich zum ersten Mal die Schule von Remanso de Amor. Victor hat mich sehr herzlich empfangen und zuerst dem Direktor und Gründer der Stiftung, Jorge Berrio und dann dem gesamten Personal vorgestellt. Anschliessend haben wir uns über meine Einsatzwoche unterhalten.
Von meiner Unterkunft in der historischen Altstadt von Cartagena fuhr ich jeweils mit dem Taxi zur Stiftung in Canapote. Da die Gegend für Ausländer als unsicher gilt, hat mich der Taxifahrer immer direkt vor der Schule ausgeladen. Nach dem Unterricht hat mich mindestens eine Lehrperson zum Taxi begleitet.
Tagesablauf
Ich durfte bei meinem Einsatz zusammen mit zwei Lehrpersonen 30 Vorschulkinder im Alter von fünf Jahren betreuen. Der Tagesablauf war wie folgt:
- 8.00 Uhr: Ankunft der Kinder anschliessend Frühstücken, Unterricht und Aktivität
- 11.15 Uhr: Mittagessen, Hilfe bei der Essensverteilung und Aufsicht
- 12.00 Uhr: Mittagsschlaf, Aufstellen der Liegebetten, Einteilen der Kinder auf die Betten
- 14.00 Uhr: Unterricht und Aktivität
- 16.00 Uhr: Ende des Schultags


Für Remanso de Amor ist es sehr wichtig, dass die Kinder eine vollwertige und reichhaltige Ernährung erhalten und dass alle Kinder die Mahlzeiten aufessen. Darauf achten entsprechend sämtliche Aufsichtspersonen. Zudem wird zwischen den Mahlzeiten ein Znüni und ein Zvieri in Form von Früchten gereicht.
Neben des Unterrichts haben wir mit den Kindern jeden Tag verschiedene Aktivitäten durchgeführt. Bewegungsspiele wie auch das Tanzen und Singen haben ihnen besonders viel Freude bereitet. An einem Morgen habe ich viele verschiedenfarbige Perlen mitgebracht und wir haben zusammen schöne Armbänder und Halsketten gebastelt. Die Kinder haben sich mit viel Hingabe engagiert und sich darauf gefreut, die Bänder zu Hause zu zeigen oder gar als Geschenk mitzubringen.
Der Umgang der Lehrerinnen wie auch von Victor und Jorge mit den Kindern ist sehr herzlich und aufmerksam. Wenn sie die Kinder zurechtweisen, dann immer sehr korrekt. Die Kinder spüren den Respekt und verhalten sich ihnen gegenüber ebenfalls respektvoll.
Hausbesuche im Quartier
Am letzten Tag nahm mich Victor am Vormittag auf Hausbesuche bei Familien mit, deren Kinder bei Remanso de Amor zur Vorschule gehen. Die Menschen leben in den einfachsten Verhältnissen. Mehrere Familienmitglieder wohnen zusammen auf engstem Raum und sanitäre Anlagen werden oftmals unter mehreren Parteien geteilt.
Bei einer der Familien kam ein Knabe im Alter von ca. 9 Jahren gegen Mittag aus dem Schlafraum. Er konnte nicht zur Schule gehen, weil er Probleme mit der Konzentration hatte. Als er im Vorschulalter war, herrschte in jenem Quartier noch Bandenkrieg und es war für die Stiftung zu gefährlich, die Familien zu besuchen und die Kinder für die Vorschule zu rekrutieren. So konnte dieser Junge leider nicht für die Schulbildung vorbereitet werden. Victor versprach Abklärungen zu treffen, damit diesem Jungen geholfen werden kann.
Bei einer anderen Familie erkundigte sich Victor nach dem Mädchen, welches krankheitshalber nicht zur Schule kommen konnte. Aufgrund von unzureichender hygienischer Pflege hatte sie einen Hautausschlag bekommen und Victor überzeugte sich davon, dass die Mutter die Pflegevorschriften und Arztbesuche zur Genesung einhielt.
Bei einer alleinerziehenden Mutter von zwei Kindern machten wir einen Kontrollbesuch und fragten nach ihren Sorgen und Nöten. Sie lebt mit ihren Töchtern in einem einzigen Zimmer mit einem Bett, einem Schrank und einem Gasherd.
Die regelmässigen Besuche erlauben es Victor, jene Kinder und Familien zu selektieren, welche am meisten Unterstützung benötigen. Denn leider gibt es mehr Armut und Not als dass die Stiftung allen helfen könnte. Ihre Ressourcen, vor allem auch jene der Infrastruktur sind beschränkt. Deshalb plant Remanso de Amor auch einen Neu- und Erweiterungsbau an ihrem Standort in Canapote.
Die Hausbesuche eröffneten mir einen Einblick in die Welt des Sozialarbeiters wie auch in das reale Leben der Familien. Unglaublich wie diese Menschen trotz der extremen Armut in der sie leben so viel Lebensfreude ausstrahlen.
Zum Mittagessen fuhren Victor und Jorge mich in ein Einkaufszentrum, in welchem Remanso de Amor eine Eisdiele (Heladería Carrusel) betreibt. Ein wichtiger Teil der Einkünfte, welche die Stiftung selber erarbeitet. Beim gemeinsamen Mittagessen besprachen wir die vergangene Woche. Ein bleibender Eindruck hinterliess mir eine herzliche Begegnung zwischen Jorge und einem Wachmann am Eingang des Einkaufszentrums. Der Wachmann wurde als kleiner Junge von der Stiftung betreut und konnte erfolgreich die Schule und eine Ausbildung abschliessen. Ein schönes Beispiel für die erfolgreiche Arbeit der Stiftung.
Fazit
Die vielen fröhlichen Gesichter, welche mir jeden Morgen in der Schule entgegenstrahlten, bestärkten die Gewissheit, dass Remanso de Amor einen essentiellen Beitrag zur Entwicklung dieser Kinder im Grossraum Cartagena leistet. Die Hausbesuche waren für mich eindeutig der emotionalste Teil dieser Woche.
Victor ist extrem engagiert und macht seine Arbeit mit grosser Leidenschaft und Empathie. Durch ihn habe ich sehr viel über die Probleme der Menschen in den Armenvierteln wie auch über die Politik in Kolumbien erfahren. Die grössten sozialen Probleme sind Mangelernährung, Drogen, Teenagerschwangerschaften, kriminelle Banden und Gewalt.
Nora hat mich während der ganzen Zeit sehr gut betreut. Sie hat sich vor, während und nach meinem Einsatz bei mir gemeldet und sich erkundigt wie es mir geht. Ich hätte sie jederzeit für Fragen oder bei Problemen kontaktieren können.
Rückblickend finde ich es wichtig, dass man einen solchen Einsatz offen, flexibel und ohne Erwartungen antritt und dass man ein Minimum der spanischen Sprache verstehen und sprechen kann.
Obwohl ich nur eine Woche bei Remanso de Amor verbracht habe, war mein Aufenthalt sehr eindrücklich und intensiv. Ganz herzlichen Dank an den Verein Roter Tropfen, welcher mir diese Erfahrung und grosse Freude ermöglicht hat.
Herzlichst, Michaela